Kaum ein Business ist so anfällig für Erfolgsmessungen wie Social Media. Falsche oder fehlende Ziele, Medienbrüche beim Tracking oder gar gänzlich fehlende Messmethoden und Instrumente lassen die Arbeit von Social Media Managern oft in einem unbefriedigenden Licht aussehen. Social Media ist eben Kommunikation und damit nur schwer mit harten Zahlen belegbar. Nichtsdestotrotz kann und muss man auch hier KPIs definieren, anhand derer die Erfolge oder Misserfolge von Maßnahmen, Kampagnen und Aktivitäten gemessen werden können. Ohne Kennzahlen keine Erfolgsmessung. Haufe.de titelt heute „Das sind die 6 wichtigsten Social-Media-KPIs“. Ich halte das für grundfalsch, denn es gibt nicht DIE wichtigsten Social Media KPIs. Warum ich das denke, will ich nun einmal kurz darlegen.
Gabler beschreibt KPIs folgendermaßen:
Abk. KPI; 1. Begriff: mit dem engl. Begriff key performance indicators werden in der Betriebswirtschaftslehre allg. Kennzahlen bezeichnet, die sich auf den Erfolg, die Leistung oder Auslastung des Betriebs, seiner einzelnen organisatorischen Einheiten oder einer Maschine beziehen.
2. Zweck: Aufgrund Ihres Leistungsbezugs dienen Sie dem Management und Controlling dazu, Unternehmensprozesse, einzelne Projekte oder Abteilungen zu kontrollieren und entsprechend zu bewerten. Je nach eingenommener Perspektive (bspw. internes Rechnungswesen, Kunden oder Management) werden als KPI verschiedene Größen herangezogen.
3. Auslegung: Das interne Rechnungswesen interessiert sich hauptsächlich für Ergebniskennzahlen, Rentabilitätskennzahlen, Liquiditäts- oder Cashflow-Kennzahlen, das Management mehr für Projektkenngrößen oder Qualitätskenngrößen, das Marketing legt sein Augenmerk auf Kundenbeziehungskennzahlen, Kommunikationskennzahlen oder Kenngrößen zum Preismanagement.
Ebenso liest man bei Wikipedia, dass KPIs Leistungskennzahlen sind, „anhand derer der Fortschritt oder der Erfüllungsgrad hinsichtlich wichtiger Zielsetzungen oder kritischer Erfolgsfaktoren innerhalb einer Organisation gemessen und/oder ermittelt werden kann“.
Daraus lässt sich folgende Aussage ableiten: Key Performance Indicators sind Leistungskennzahlen auf Basis einer konkreten, aber individuellen Zielstellung.
Ergo kann es nicht DIE wichtigsten KPIs geben, sondern jedes Unternehmen muss die für sich relevanten KPIs anhand seiner Zielstellung bestimmen. Das setzt natürlich voraus, dass man Ziele definiert hat. Dazu kommt, dass eine Schlüsselkennzahl ein sehr genaues Szenario darstellen sollte, um aussagekräftig zu sein.
Im Haufe-Artikel werden folgende Kennzahlen als die Wichtigsten definiert:
- Interaktionsrate
- Websitetraffic
- SEO-Verbesserungen
- Sentiment
- Konversionsrate
Vier von fünf dieser Kennzahlen sind für mich keine wirklichen KPIs, da sie nicht zielorientiert sind. Sie sind nicht irrelevant, aber eben keine KPIs. Wenn man Social Media nur um seiner Selbst willen betreibt, mag das passen. Ich unterstelle jedoch mal, dass jedes Unternehmen mit der Social Media Kommunikation betriebswirtschaftliche Ziele verfolgt, da jegliche Aktivitäten eines kapitalwirtschaftlich orientierten Unternehmens auf Umsatz und Ertrag ausgerichtet sind. Alles andere ist „Geld verbrennen“.
Der Anteil an Fans, die mit den eigenen Beiträge interagieren (Interaktionsrate) ist in Bezug auf dieses oberste Ziel jedoch vollkommen nichtssagend, denn wie soll hier berücksichtigt werden, ob der Beitrag mit dem gerade interagiert wird, auf die eigenen Ziele einzahlt? Es werden oftmals auch Beiträge anderer Nutzer geteilt oder Informationen im Netz verlinkt, die den Fan nicht zum eigenen Unternehmen leiten, sondern woanders hin. Eine hohe Engagement Rate aufgrund von Cat Content ist auch nicht gerade zielführend. Wenn ich jedoch die Anzahl der Interaktionen (Backlinks) mit eigenen Inhalten als KPI nehme, komme ich der Sache schon näher.
Den Websitetraffic als KPI anzusetzen ist nur die halbe Wahrheit. Nicht jede Seite auf der Website trägt zum Unternehmensziel bei. Beim Traffic geht es darum, die Qualität der Besucher zu erhöhen, um die Konversionrate zu steigern. Wenn 80% des Traffics auf der Impressums-Seite stattfinden, bringt mir das als Unternehmen gar nichts. Wenn ich jedoch den Traffic auf meinen Produktseiten, auf den Leistungsseiten oder den Angebotsseiten meine, dann stimmt die Rechnung wieder. Dann ist auch die Konversionrate aussagekräftig, ist sie doch eine Kennzahl für die Contentqualität und zahlt direkt auf die Unternehmensziele ein, sofern die Konversion bspw. eines Besuchers zu einem Kontakt gemeint ist, der später in einen Lead konvertiert. Andere Kennzahlen wie Abbruchrate oder Verweildauer machen dann schon eher Sinn, da sie die Qualität einer Website, bzw. des Contents, widerspiegeln.
Warum SEO-Verbesserungen wie Social Signals als KPI bezeichnet werden, ist mir unklar. SEO ist als Mittel zum Zweck essentiell für jedes Unternehmen, denn Sichtbarkeit von Content bringt Traffic, bringt Kontakte und schlussendlich Umsatz. Im Beitrag ist von der Wichtigkeit von Social Signals die Rede und dass sie für die Suchergebnisse immer wichtiger werden und darum auch als KPI herangezogen werden können. Dem ist jedoch leider nicht so. Die Fachwelt ist sich ganz und gar nicht einig über die Bedeutung von Social Signals (Likes, ReTweets, Shares, Comments….), sondern hat ihre Meinung in den letzten Jahren nach anfänglicher Euphorie doch stark angepasst:
Social SEO: Google liebt Social Signals vom Juni 2012
Social Signals: Wunderzutat oder nutzlos für Google-Rankings? vom Januar 2014
Nicht falsch verstehen, ich halte Social SEO nach wie vor für unglaublich wichtig, aber mehr aus Gründen der Interaktion und Kommunikation, nicht aus Gründen des Google Rankings, denn hier haben sie so gut wie keinen Einfluss. Demnach auch als KPI nicht geeignet. Die Sichtbarkeit für bestimmte Keywords oder die Platzierung von Inhaltsseiten in den SERPs (Search Enginge Ranking Page) hingegen kann man als KPI ansetzen, da diese maßgeblich für den Traffic verantwortlich sind und die SEO-Arbeit repräsentieren.
Ich weiß noch, als 2007/2008 mit der semantischen Analyse von Texten und der Erzeugung von Stimmungsbildern richtig viel Musik im Markt war. Semantische Tools, Indikatoren wie der Net Promoter Score oder ähnliche Zauberdinge waren damals absolut hip und sind es heute auch noch. Fakt ist aber, dass die Deutung von Stimmung im Deutschen nicht so leicht ist, da Begriffe oft mehrere und oft komplett gegensätzliche Bedeutungen haben. Es ist also ein gewisser Aufwand nötig, um eine Sentiment Analyse durchzuführen. Als Kennzahl ist „Sentiment“ ungeeignet, da nicht zielgerichtet genug. Der NPS (Net Promoter Score) hingegen ist ein Stimmungs-Index auf Basis einer definierten Anzahl von Keywords zu einem Produkt, einer Kampagne etc. Daher kann er durchaus als KPI dienen, um den Erfolg, bezogen auf das Image oder die Reputation zu messen.
Was sind nun „gute“ KPIs?
Damit habe ich mich vor einiger Zeit auch schon einmal beschäftigt: SOCIAL MEDIA KENNZAHLEN – WORAN MISST MAN DEN ERFOLG?
Für mich müssen KPIs folgende Ansprüche erfüllen:
- zielorientiert
- feingranular und nicht oberflächlich
- messbar und zwar durchgängig über alle Medien hinweg
Qualitäts-Kennzahlen
Interaktion
- Teilen von eigenen Inhalten (Share)
- Verlinkung auf Inhalte (Backlinks)
- Zitieren von Inhalten (Trackbacks)
- Verweildauer und Abbruchrate (Webtracking) auf Zielseiten
Quantitäts-Kennzahlen
Traffic
- Zugriffe aus Social Media (Referrer) für Zielseiten
- Zugriffe aus der organischen Suche (Sichtbarkeit) für ausgewählte Keywords
- Seitenaufrufe (Webtracking) für Zielseiten
Aktion
- Absenden eines Kontaktformulars
Wichtig ist, dass jeder die für ihn wichtigen und relevanten Erfolgskennzahlen definiert und nicht einfach aus dem Netz kopiert. Dann wird ein Schuh draus :-)
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