Politik ist wie SEO – Relevanz gewinnt Sichtbarkeit, gewinnt Wahlen

Die Wahlen zu Europa, zu Stadt- und Kreisräten haben eines offen gezeigt: Die AfD ist in der Kommunikation mit und zu den Menschen am relevantesten. Sie spricht genau die Themen an, die die Menschen leicht verstehen. Sie weiß, kurz und griffig zu kommunizieren. Sie provoziert, sie polarisiert und damit gewinnt sie Wahlen. Denn in der Politik ist es wie in der Suchmaschinenoptimierung: Sichtbarkeit entsteht durch Relevanz.

Relevanz ist nicht gleich Qualität

Dabei darf man eines nicht außer Acht lassen, relevante Inhalte sind nicht gleich qualitative Inhalte. Relevanz ist die bestmögliche Übereinstimmung zwischen dem Interesse, dem Bedarf oder der Intention des einzelnen Menschen und dem Inhalt, den er konsumieren soll. So bewertet Google Inhalte und präsentiert sie in den Suchergebnislisten. Und so bewerten Menschen auch Inhalte von Parteien. 

Und genau diese einfache Mechanik ist den etablierten Parteien zum Verhängnis geworden und wird es auch weiterhin sein. Denn sie haben vergessen, relevante Inhalte zu kommunizieren. Relevanz entsteht durch Perspektivwechsel. Ich muss mich auf denjenigen einlassen, den ich mit meiner Botschaft erreich möchte. Ich muss Emotionen wecken und die Aussagen so verpacken, dass sie leicht verständlich und verarbeitbar sind. 

Storytelling in der Politik ist hier das Schlüsselwort. Die AfD spielt bei all ihrer Kommunikation vor allem mit den Emotionen, die am leichtesten manipulierbar sind:

  • Angst
  • Hass
  • Wut
  • Neid

Diese Emotionen sind tief in uns verwurzelt, quasi im Unterbewusstsein und nicht rational. Wenn nun eine Partei genau diese Emotionen anspricht, mit ihnen spielt, dann sind wir Menschen sehr leicht zu manipulieren. Die dunkle Vergangenheit von Deutschland hat gezeigt, wie einfach das ist und wie lange sich die Menschen damals der Wirklichkeit und der Tötung von Millionen anderer Menschen verschlossen haben. Sie wollten es einfach nicht sehen. Sie haben lieber den Hetzreden des Führers geglaubt und sich in ihrem Hass und ihrer Wut auf Juden, Homosexuelle, Geistig Kranke und anderen Menschen bestätigt gefühlt.

Für die Deutschen in den 20er und 30er Jahren waren diese Themen relevant, weil sie ihr damaliges Weltbild so wunderbar bestätigten. Relevanz hat also nichts mit der Qualität der Botschaften in der Kommunikation zu tun, sondern damit, die richtigen Themen zu richtigen Zeit an die richtigen Personen zu adressieren. 

Storytelling abseits der Wahrheit

Nun passt natürlich nicht jede Wahrheit in die zu verbreitende Geschichte. Oftmals muss da etwas nachgeholfen werden. Es ist heutzutage ein Leichtes, die Menschen im Netz in ihren Filterblasen zu manipulieren und dafür zu sorgen, dass sich Halbwahrheiten und auch komplett gefälschte Daten in Windeseile verbreiten. Am hilfreichsten sind dabei Überschriften von Netzinhalten. Denn es ist erwiesen, dass 70-80% aller Nutzer auf Facebook und Instagram Posts und Tweets allein aufgrund des Titel, also der Hauptüberschrift, teilen. Dabei spielt der Inhalt keine Rolle, wird oftmals gar nicht gelesen. Genau dieses simple Prinzip machen sich rechte Parteien und Gruppierungen zunutze. Sie posten einfach markige und provokante Titel mit Link auf eine Zielseite und erreichen damit eine exponentielle Verbreitung. 

Wie auch beim Film „Die Welle“, den eigentlich jeder gesehen haben sollte, hat es also den Anschein, dass eine Information von verschiedenen Seiten gleichermaßen verbreitet und damit bestätigt wird. Also muss sie auch wahr sein. Viral Marketing nennt man das und dieser virale Effekt wird heutzutage oftmals auch durch Automatismen, Bots, zusätzlich verstärkt. 

Als es früher darum ging, ein Video „viral“ zu machen, wurden genau dieselben Mechanismen genutzt. Das Video wurde auf YouTube geladen (Zielseite). Dieser Link wurde in Foren und Blogs gestreut und die Klickzahlen des Videos wurden gleich zu beginn künstlich nach oben getrieben. So sahen die ersten Besucher ein neues Video mit einer Menge an Klicks und gleichzeitig eine Vielzahl an Quellen im Netz, die auf dieses Video verweisen. Taadaaa, der virale Effekt. Denn was im Netz steht, muss ja wahr und richtig sein, oder?

In der heutigen Politik wird es nicht anders gemacht, nur dass eben die rechten Parteien am besten von allen gelernt haben, dieses Prinzip auszunutzen. 

Meinungsfreiheit vs. Regulierung

Als Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrer Äußerung über eine mögliche Regulierung der Meinungsfreiheit zurecht für einen riesen Aufschrei sorgte und Horst Seehofer mit einer geplanten Freigabe des Angriffes auf die Pressefreiheit (siehe zeit.de) eine Debatte über das Grundrecht der freien Meinungsäußerung angezettelt haben, haben sie meines Erachtens in die falsche Richtung gezeigt. Wie eine Recherche der ARD zeigt, betreibt die AfD massiv Zensur im Netz und propagiert gleichzeitig die Meinungsfreiheit.  

Gleichzeitig liegt der Verdacht nahe, dass auch eine Vielzahl von automatisiert betriebenen Accounts bei Twitter und Facebook eingesetzt werden, um die Verbreitung von Informationen zu forcieren (siehe zeit.de  tagesschau.de

Wenn also über eine Regulierung der Meinungsäußerungen diskutiert wird, dann nicht in Richtung der YouTuber, Instagramer oder Blogger, sondern in Richtung der Parteien im Wahlkampf, die stärker als alle Nutzer im Netz manipulativ unterwegs sind. 

Suchmaschinenoptimierung und Politik

Eigentlich ist es ganz einfach – gib dem Nutzer das zu lesen, was er lesen will und schon bist Du am Ziel. So funktioniert es in der SEO und so funktioniert es auch in der Politik. Dabei helfen in der SEO starke Domains, also Seitennamen, die schon allein aufgrund der Bezeichnung das Thema treiben. Wenn ich beispielsweise ein Telekommunikationskonzern bin, trauen mir die Menschen offenbar am ehesten zu, kompetent über beispielsweise Breitbandausbau und Mobilität zu kommunizieren.  So wie man den Grünen am ehesten zutraut, den Klimawandel voranzutreiben, erscheint die AfD für viele Menschen die einzige „Alternative“ zu den etablierten Parteien zu sein, schon allein des Namens wegen. 

Wenn ich dann noch meine Ziele in kurze, knackige, also „snackable“ Botschaften verpacke, die die niederen Instinkte der Menschen aktivieren, dann bin ich unschlagbar. 

Klickbaiting nennt man das im Werbejargon, wenn ich in einer Überschrift markante Keywords verwende und eine Botschaft suggeriere, die im Text aber keinerlei Rolle mehr spielt. Es geht nur um den ersten Klick aufgrund der Überschrift.

Schaut man sich die Wahlplakate der FDP an, haben sie aus meiner Sicht alles falsch gemacht, was sie falsch machen konnten.

  1. Schlechtes Kontrastverhältnis zwischen Text und Hintergrund
  2. zu knallige Farben, die dem Auge eher weh tun
  3. Bild als Augenfixpunkt auf der rechten Plakatseite – damit verliert das Auge den Blick auf den eigentlichen Textinhalt
  4. wer in Großbuchstaben schreibt, der schreit und Versalien sind viel schlechter lesbar
  5. langatmiges Geschwurbel statt griffiger Aussagen

Wer von euch konnte auf einen kurzen Blick die Botschaft eines FDP-Wahlplakates erfassen? Also ich konnte es nicht, schon gar nicht aus dem Auto heraus und meistens hängen die Dinger ja an Straßen. Zuviel Text, zuwenig Inhalt. Dann noch die Formatierung und Farbgestaltung – furchtbar.

Da fragt man sich da schon, warum ist das so? Haben die etablierten Parteien keine Ideen, keine Ziele, keine einfachen Botschaften?

Ich bin weder Politikwissenschaftler noch Soziologe. Ich bin jemand, der mit offenen Augen durch die Welt geht und mit Sorge sieht, wohin wir uns entwickeln. Diejenigen, die jetzt die Entscheidungen treffen, werden in 50 Jahren alle tot sein. Und diejenigen, die jetzt noch nicht mitbestimmen können, müssen später den ganzen Müll wegräumen, den wir jetzt verzapfen. Ich versuche mich einfach immer zu informieren und aus meiner eigenen Filterblase auszubrechen. Und wenn ich mir die Entwicklung der politischen Debatte, den Hass und die offenkundige Wut im Netz anschaue, dann bereitet mir das ernsthafte Kopfzerbrechen. 

Ich kann nur hoffen, dass sich die Erkenntnis, wohin uns Parteien wie AfD wirklich führen wollen, bei vielen Menschen noch durchsetzt. Denn das, was die sächsische AfD in ihrem Wahlprogramm niedergeschrieben hat, ist ein Rückschritt ins finstere Mittelalter. (siehe lvz.de)

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