Seitdem ich mich mit dem Social Web beschäftige, habe ich immer wieder auch mit Social Media Monitoring zu tun und auch schon diverse Anbieter getestet oder bei Unternehmen eingeführt. Der Grund ist ganz einfach: wenn ein Unternehmen wissen will, wie gut oder schlecht es ist, wie seine Produkte und Leistungen bewertet werden, was über es erzählt wird oder wo sonst noch der Hase im Pfeffer liegt, dann muss es sich umhören. Daher stellt Social Media Monitoring die Basis jeder Kommunikation, jeder Produktentwicklung und jedes Kundenservice dar, ganz gleich, ob ich als Unternehmen mich aktiv im Social Web bewege oder nicht. Denn wie heißt es so treffend: gesprochen wird über mich so oder so, auch wenn ich nichts dazu beisteuere.
Doch was ist eigentlich „Monitoring“, wie funktioniert es und was muss man dabei beachten?
Hier die Antworten – kurz und knapp und sicherlich nicht vollumfassend, aber es ist nur ein Blogpost und kein Buch, was ich schreibe.
Social Media Monitoring
Wikipedia sagt: Social Media Monitoring ist die systematische Beobachtung und Analyse von Social Media Beiträgen und Dialogen in Diskussionsforen, Weblogs, Mikro-Blogs und Social Communitys, wie Facebook oder MySpace.
Das heißt, ich als Unternehmen/Agentur/Dienstleister/Freiberufler beauftrage einen Dienstleister mit der systematischen Untersuchung und Auswertung von Quellen im Internet nach von mir vorgegeben Suchbegriffen (Keywords). Und das permanent, also solange der Auftrag läuft. Anbieter von Tools gibt es viele und die Preise bewegen sich von kostenfrei bis weit über 1.000 € pro Monat. Ob der Einsatz eines Monitoring-Tools erfolgreich und zielführend ist, hängt von mehreren Faktoren ab.
Datenbasis / Anzahl und Qualität der Quellen
Kein Anbieter von Social Media Monitoring wird 100% aller online verfügbaren Quellen abdecken können, das ist schlichtweg unmöglich. Das ist aber auch gar nicht notwendig, denn es kommt immer darauf an, genau die Quellen zu monitoren, die für mich am wichtigsten und relevantesten sind. Ergo spielt hier mehr die Qualität der Quellen eine Rolle, weniger die Quantität. Bezüglich der Qualität kann ich auch auf den kürzlich veröffentlichten Report des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) verweisen, der nun eine Richtlinie zur Medientypeinteilung für Social Media Monitoring Anbieter veröffentlicht hat. Diese Einteilung spielt primär für die Anbieter eine Rolle, ist aber auch für die Endnutzer interessant, da so Quellen klassifiziert und einfacher bewertet werden können.
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TIPP: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass deutsche Monitoring-Dienstleister den deutschen Markt qualitativ etwas besser abdecken können, als beispielsweise amerikanische Anbieter. Der Grund liegt in der Unterschiedlichkeit der Märkte. Während sich in den USA sehr viel in Blogs abspielt, deren Inhalte per RSS-Feed recht einfach gecrawlt (untersucht) werden können, passiert in Deutschland sehr viel in Foren. Diese sind sehr viel schwieriger zu untersuchen, was deutschen Anbietern aber zugutekommt, da sie die Gegebenheiten kennen und den direkten Kontakt zum Forenbetreiber aufbauen können.
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Man sollte auch bei der Analyse eines Tools immer die Frage stellen, in welchem Rhythmus die Quellen abgefragt werden. So wie der Google Such-Bot nicht jede Sekunde über eine Website schaut, ob was Neues da ist, so wird auch der Monitoring-Crawler dies nicht permanent tun. Die Quellen, die für mich am wichtigsten sind, sollten auch die höchste Frequenz des Crawling aufweisen. Bei Twitter macht es beispielsweise Sinn, aller paar Minuten zu crawlen, bei einem Blog reicht oft eine Frequenz von einem Tag.
Das individuelle Hinzufügen von Quellen ist eine weitere Besonderheit, die nicht jeder Anbieter ermöglicht. Doch speziell im Bereich der Long Tail Netzwerke kann es passieren, dass genau das kleine, aber hochspezialisierte Themenforum noch nicht in der Datenbasis enthalten ist, aber genau dort sehr intensiv über mein Produkt diskutiert wird. Wenn es nachträglich nicht inkludiert werden kann, entgehen mir so möglicherweise wertvolle Informationen.
Keywords und Kombinationen
Wie schon mein Informatik-Lehrer sagte; jede Suchmaschine ist nur so schlau wie der Suchende. Denn wenn nach den falschen Begriffen gesucht wird, kann auch die beste Suchmaschine nichts finden. So ist es auch beim Monitoring. Auf die Keywords und Kombinationen kommt es an. Dabei muss man das Ganze aus Nutzersicht betrachten. Oftmals werden Produkte oder Unternehmen bewusst oder unbewusst falsch geschrieben und meinen trotzdem das Richtige. Genau diese Falschschreibweisen muss man bei der Festlegung der Suchbegriffe mit berücksichtigen.
Hier ein paar Beispiele:
Tschibo, Ebey, Rutenplaner, Sneeker, Meckermann….
Die Liste ist endlos. Auf die Festlegung der Suchbegriffe muss man daher besonderes Augenmerk legen und dabei auch noch Kombinationen berücksichtigen, ohne die man die gewünschten Resultate auch nicht findet.
Bestes Beispiel:
LG – „Liebe Grüße“ oder Produkthersteller? Der Crawler erkennt keinen Unterschied.
Ebenso macht es Sinn, Kombinationen zu definieren, die einen nicht oder besonders interessieren. Die Tools arbeiten in der Regel mit booleschen Operatoren bei der Definition von Suchstrings. Die besseren Tools ersparen dem Anwender die Notation von AND, OR, AND NOT und bieten einfache Formulare zur Eingabe der Suchbegriffe.
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TIPP: Am Anfang werden die Ergebnisse nur sehr ungenau und durchsetzt von Fehltreffern sein. Das ist völlig normal. In der Regel braucht man 3-4 Wochen für die Feinjustierung der Suchfilter, indem man beispielsweise die Suchbegriffe und Kombinationen anpasst oder Fehltreffer und irrelevante Quellen manuell aus den Ergebnissen herausfiltert. Ein gutes Tool bietet diese manuelle Nachbereitung der Ergebnisliste und lernt somit mit.
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Aufbereitung der Ergebnisse
Mittlerweile haben fast alle Anbieter sehr schicke Dashboards (Benutzeroberflächen), die mit stylischen und animierten Grafiken glänzen. Doch Schein ist Schein und nicht immer Sein, daher muss man immer etwas hinter die Fassade schauen. Ein personalisierbares Dashboard beispielsweise macht Sinn, wenn mehrere Mitarbeiter in dem Tool mit eigenen Accounts arbeiten. So kann sich jeder genau die Ergebnisse anzeigen lassen, die ihn am meisten interessieren.
Man muss sich vor der Analyse von in Frage kommenden Anbietern immer drei Fragen stellen:
Was genau will ich wissen?
Was will ich mit diesem Wissen anfangen?
Wer soll alles mit dem Tool arbeiten können?
Je nachdem, wie die Antworten ausfallen, muss das jeweilige Tool auch die entsprechenden Ergebnisse liefern. Das können beispielsweise sein:
Share of Buzz – Anzahl aller Nennung in einem definierten Zeitraum
Tonalität – Art der Nennung (positiv, negativ, neutral)
Key Influencer – wer schreibt am meisten über mich
Reichweite – wie haben sich einzelne Beiträge im Netz verbreitet
Relevanz – wie Relevant ist die Quelle für mich (bspw. Medientypeinteilung BVDW)
Ob die Inhalte dabei grafisch animiert oder in verschiedenen Darstellungsformen angezeigt werden, ist zweitrangig. Man muss damit arbeiten und umgehen können. Wichtiger ist, dass sich die Inhalte auch per xls oder csv exportieren lassen, um weitere Auswertungen und Analysen mit eigenen Tools vornehmen zu können. Diese Schnittstelle und Exportfunktion bietet nicht jedes System.
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TIPP: Eine kurze und kostenlose Testphase ist bei den meisten Anbietern möglich und erlaubt so einen ersten tiefen Einblick in das Tool und auch eine sehr gute Vergleichbarkeit. Auch wenn manche sich anfangs etwas dagegen sträuben, würde ich immer auf einen Testlauf bestehen.
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Semantische Analyse
Mittlerweile ist es auch möglich, Beiträge hinsichtlich ihrer Tonalität zu untersuchen. Automatische semantische Analysesysteme helfen dabei sehr gut, sind aber niemals zu 100% zuverlässig. Denn der umgangssprachliche Gebrauch von Begriffen und Floskeln ist für eine Maschine nicht immer eindeutig identifizierbar.
Ein kleines Beispiel:
Krasse Scheiße – ist bei der Jugend umgangssprachlich eher positiv gemeint, wird aber von Analysetools gern auch als negativ eingestuft
In jedem Fall helfen voll- oder teilautomatische Semantikanalysen, die Vielzahl an Suchtreffern vorzufiltern, sodass eine weitere Bearbeitung erleichtert wird. Auch hier bieten gute Tools die nachträgliche manuelle Bereinigung von Beiträgen an, sodass die Genauigkeit immer weiter verbessert werden kann.
Ticketsystem
Gesetzt den Fall, Sie beabsichtigen, das Social Media Monitoring im Team und teamübergreifend einzusetzen, dann empfehle ich, nach einem Ticketsystem Ausschau zu halten. Was das ist, ist schnell erklärt.
Der Monitoring-Verantwortliche findet einen kritischen Beitrag zu einem meiner Produkte. Er ist gebrieft, solche Beiträge umgehend an den entsprechen Fachteamleiter weiterzuleiten, damit dort entschieden werden kann, wie damit zu verfahren ist. Die klassische Variante ist die Alarm-Mail, in der der Text und der Link zum Beitrag reinkopiert werden und die dann an einen Mailverteiler geht.
Besser ist es, wenn der Fachteamleiter genau diesen Beitrag direkt über das Tool als Ticket weitergeleitet bekommen. Er bekommt also keine Mail mit Link und Textkopie, sondern eine Information über einen neuen Alert im Tool. Alle darauffolgenden Schritte werden über das Ticketsystem dokumentiert. Die Folge: jeder weiß genau über den Status Quo Bescheid, es gibt keine endlosen Mailschleifen und sobald eine finale Entscheidung getroffen wurde, wird das Ticket geschlossen. Gute Ticketsysteme bieten auch gleich eine Kommentarfunktion mit an, die ähnlich wie ein Forenthread funktioniert.
Redaktionssystem
Jetzt kommen wir zur hohen Kunst des effektiven Einsatzes von Social Media Monitoring. Indem ich das Monitoring mit meinen operativen und redaktionellen Social Media Aktivitäten koppele, schaffe ich eine hervorragende und integrative Symbiose. Ein Redaktionssystem erlaubt die Anbindung von Twitter- und Facebook-Accounts und die sofortige Reaktion auf Nutzerbeiträge direkt aus dem Monitoring-Tool heraus. Das erspart jede Menge Zeit und Abstimmungsarbeit, da, gepaart mit einem Ticketsystem, Fragen an den Verantwortlichen weitergeleitet und direkt von ihm beantwortet werden können. Alternativ gibt er die Antwort als Kommentar an den Redakteur zurück und dieser veröffentlicht die Antwort.
Granularität
Wie Alexander Hauser im Interview bei espresso-digital berichtete, ist die Herausforderung bei dezentralen Strukturen und unterschiedlichen Naspruchsgruppen, die Granulierung der Ergebnisse so abzustimmen, dass jeder Nutzer genau die für ihn passenden Ergebnisse bekommt.
Das beginnt bei den Quellen, die für eine Geschäftsstelle oder ein Regionalbüro anders sein können als für die Unternehmenszentrale und endet bei den Suchergebnissen. Verschiedene Filtermöglichkeiten helfen da ungemein und erlauben eine Anpassung an alle Bedürfnisse.
Checkliste für Toolsuche
Aus der Vielzahl an Anbietern und Varianten die für meine Bedürfnisse genau Passende zu wählen, bedarf einiger Vorarbeit. Hier eine kurze Checkliste:
1. Anforderungsliste erstellen
Warum will ich es einsetzen, was will ich mit den Ergebnissen machen und wer soll damit arbeiten?
2. Benötigte Funktionen zusammentragen
Welche Länder und Sprachen und Sprachen müssen abgedeckt werden?
Welche Netzwerkarten müssen untersucht werden?
Wieviele Suchbegriffe, Produktkategorien, Wettbewerber und Branchen will ich untersuchen?
Wie soll die Integration ins Unternehmen aussehen und wie will ich die Daten weiterverarbeiten?
Welche Funktionen, Analysen muss das Tool in welcher Detailtiefe darstellen können?
Dann geht es an die Analyse, wobei man sich da gut an einschlägigen Studien und Untersuchungen halten kann, wie beispielsweise diese hier auf trickr.de.
Der Hauptgrund, warum Monitoring oft noch nicht eingesetzt oder nach ein paar Wochen wieder abgesetzt wird, ist: es macht Arbeit! Es ist nun einmal kein selbstlaufendes Presseclipping, wo man jeden Morgen die aktuellen Clippings ausgedruckt auf den Tisch gelegt bekommt. Man muss sich damit befassen und intern meist auch erst einmal Prozesse für den Umgang und die Integration definieren. Wenn das geschehen ist, ist Social Media Monitoring ein unschlagbares Instrument im Sinne der Marktforschung!
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