Politik und Social Media – ein Trauerspiel

Dieses Jahr ist Wahljahr und auch wenn ich nirgends politisch engagiert bin, ist es mir ein Bedürfnis, zumindest ein klein wenig die Geschicke unseres Landes über meine beiden Kreuze am Wahltag mit zu bestimmen. Dabei will ich natürlich die Partei wählen, deren Programm mir am ehesten zusagt und welches ich auch verstehe. Das ist nicht immer leicht und ich möchte mal in den Raum stellen, dass selbst die Abgeordneten nicht immer verstehen, was sie da eigentlich verzapfen. Daher rührt vielleicht auch die Politikverdrossenheit in Deutschland, weil niemand so genau weiß, was die Parteien eigentlich wollen und wenn sie es dann doch umsetzen könnten, tun sie´s nicht. Naja, damit hat man sich ja schon irgendwie abgefunden bzw. eher abfinden müssen. Aber um zum Kern des Artikels zu kommen: bevor ich wähle, informiere ich mich. Wo sucht man am besten die gewünschten Informationen? Natürlich im Netz, denn schließlich sind wir ja alle online. Da viele von uns auch noch social sind, suche ich zusätzlich natürlich noch im Social Web. <Ironiemodus>Doch oh Wunder – so fündig wird man da gar nicht. Dabei ist doch politischer Wahlkampf mit Hilfe der sozialen Medien seit Obama´s Einzug ins Weiße Hause der Heilsbringer schlechthin!? </Ironiemodus>

Suchmaschinenoptimierung

Fangen wir mal beim normalen durchschnittlichen Suchverhalten eines Deutschen Durchschnittsbürgers an und begeben uns auf die Suche nach verwertbaren und verständlichen Informationen auf Google. Die Jungs von Goggle wissen ja bekanntlich alles, also geben wir doch einfach einmal „Bundestagswahl 2013“ ein und hoffen, dort eine Übersicht über alle Programme zu bekommen. Schließlich will man ja vergleichen – macht man im Supermarkt ja auch.

Hier beginne ich mich nun das erste Mal zu wundern!

Suche Bundestagswahl 2013

An Position 3 für exakt diese Suchkombination, die laut Google AdWords Keyword Tool monatlich 40.500mal lokal eingegeben wird und für die ein niedriger Wettbewerb herrscht (also kaum jemand, der auf diese Kombination optimiert) finde ich eine private Seite eines Herrn Füßmann aus Bischberg, der sich mit dieser URL fast an die Spitze einer Vielzahl von Suchanfragen mit „Bundestagswahl“ katapultiert hat.

Bundestagswahl 2013 private Seite

Wohlgemerkt, es handelt sich dabei um organische, also nicht bezahlte, Suchergebnisse. Immerhin, wenn ich die Suche mit „Wahlprogramm“ verfeinere, haben es zumindest die Grünen auf Seite 1 geschafft. Die einzig offiziell aussehende Webpräsenz, auf der sich alle Informationen zur Wahl recht übersichtlich finden lassen, ist die Seite der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.

Bundestagswahl 2013 offizielle Seite

Das finde ich ziemlich dünn und befriedigt mich ehrlich gesagt in keinster Weise! Wie soll ich sinnvoll wählen, wenn ich keine Informationen habe? Hat man bei den Grünen, Schwarzen, Roten und Gelben schon einmal etwas von Suchmaschinenoptimierung gehört? Ich stelle einfach mal in den Raum, dass es viele Wähler gibt, die recht unbefangen und unvoreingenommen in die Wahlperiode gehen und so wählen, wie sie es aktuell für richtig halten. Sicherlich findet man Suchergebnisse zu den einzelnen Parteien, wenn man die Suchanfrage entsprechend formuliert, aber es muss doch auch möglich sein, über ganz allgemeine und aktuelle Suchbegriffe zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Und so wie die Seite der lpb aufgebaut ist, wünsche ich es mir nun einmal: Übersichtlich, alle Fakten auf einen Blick und die Wahlprogramme in den wichtigsten Punkten zusammengefasst, sodass man schnell vergleichen kann:

  • Steuern und Finanzen
  • Energie
  • Arbeit und Soziales
  • Familie

Bei allem Respekt an die Kommunikationskompetenz der Parteien, ohne vernünftige Basisarbeit – und der Begriff sollte bekannt sein – können sie sich Ihre schicken Facebook-Auftritte schenken. Und unter Basisarbeit verstehe ich die Optimierung der Website-Inhalte für Suchmaschine und Nutzer (On Page und Off Page).

Facebook

Aber die Damen und Herren Kandidaten stecken ja viel lieber Zeit und Energie in Facebook und Twitter, wohl in dem Irrglauben, damit die Wahl gewinnen zu können. Wenn sie das wenigstens vernünftig machen würden, aber wenn ich mir die Kanäle der Spitzenkandidaten der Parteien anschaue, dann zweifle ich ernsthaft an ihren Intentionen!

Angela Merkel, Peer Steinbrück, Rainer Brüderle, Gregor Gysi, Jürgen Trittin, Kathrin Göhring-Eckardt (ups..Seite nicht gefunden? Da sollte wohl mal der Link aktualisiert werden ;-) ) – alle „pflegen“ einen eigenen Facebook-Auftritt, mehr oder weniger. Aber dazu gleich mehr.

Ich habe bewusst nur die persönlichen Facebook Pages der Kandidaten genommen und nicht die der Parteien, Splittergruppen, Fraktionen, Mitglieder, regionaler Verbände usw. da man da gar nicht mehr fertig wird. Auch Accounts mit gleichem oder ähnlichem Namen habe ich außen vor gelassen und davon gibt es nicht wenig. Man scheint hier wenig Wert auf Konsistenz und Transparenz zu legen.

Facebook ist ja bekanntlich ein Kommunikationsmedium, was von Entertainment und Unterhaltung der Fans lebt. Wenn man es nicht schafft, diese mit Themen und Inhalten zu begeistern und zum Interagieren anzuregen, dann hat man sein Ziel verfehlt. Als Messgröße für den Erfolg kann man unter anderem das Verhältnis zwischen Anzahl Fans und dem Wert „sprechen darüber“ nehmen, quasi die Interaktionsrate (wenn man die Seiten selbst verwaltet, gibt es natürlich noch eine Unmenge Kennzahlen mehr). Ich habe nun die Seiten der Spitzenkandidaten einmal gegenübergestellt und die Interaktionsrate hervorgehoben:

Vergleich-Fanpages-Interaktionen

Daten von Fanpage Karma: https://www.fanpagekarma.com/

Wenn man danach geht, wer mit seinen Beiträgen unabhängig von der Fanbase die meisten Nutzer zu Interaktionen anregt, dann gewinnt im September haushoch die Linke! Aber man muss den Facebook-Nutzern generell eine ausgesprochen diskussionsfreudige Kultur bescheinigen, die auch vor politischen Themen nicht halt macht.

Wenn man dann aber einmal in die Kanäle eintaucht, wird man allerdings schnell folgendes feststellen:

  1. Oftmals wird reines Link-Sharing betrieben
  2. In den Kommentaren diskutieren die Fans fast ausschließlich mit sich selbst, aber nicht mit dem Politiker
  3. Der Einfachheit halber wird auf Twitter und Facebook oft der gleiche Beitrag gepostet
  4. Ein Redaktionsteam wird nirgends vorgestellt, obwohl fast alle Beiträge in der dritten Person geschrieben werden

Aber Hauptsache, an die Netiquette wird gedacht, werte Herren Trittin und Steinbrück! Doch wer sind eigentlich Ihre Schreiberlinge, die Ghostwriter der „einfallsreichen“ Texte? Man weiß es nicht und wird es wohl auch nie erfahren. Dabei hätten Sie hier die Möglichkeit, genau das zu tun, was Politiker tun sollten – mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, ihre junge Wählerschaft zu begeistern. Ich hoffe, dass wenigstens das Monitoring funktioniert und so die wichtigsten Themen und Kritiken an den Mann oder die Frau kommen.

Um zurück zum Wahlprogramm zu kommen, auf Facebook findet sich auch nirgendwo eins.

Bleibt also nur der direkte Weg zur Parteien-Website, das mühsame Heraussuchen der Inhalte und das Durchackern der teilweise noch nicht finalen Programme. Aber bis zum Wahltag sind es ja auch noch 5 Monate.

Twitter

Die Herren SteinbrückGysi und Trittin betätigen sich dann auch noch als Twitterer und genau diese Accounts habe ich mir noch vorgenommen, da man dort recht gut die Summe der gezwitscherten Inhalte visualisieren kann.

So sehen die um Unwesentliches bereinigten Inhalte der Twitter-Accounts im Zeitraum Jan-Mai 2013 als TagCloud aus:

@peersteinbrueck >> redet „Klartext“ über den „Mindestlohn“

Tweet-TagCloud

Tweet-TagCloud Peer Steinbrück

@GregorGysi >> hat sich  die „Bundeswehr“ und die „Studiengebühren“ aufs Tablet geschrieben

Tweet-TagCloud Gregor Gysi

Tweet-TagCloud Gregor Gysi

@JTrittin >> kümmert sich naturgemäß um die „Energiewende“ und den „Mindestlohn“

Tweet-TagCloud Jürgen Trittin

Tweet-TagCloud Jürgen Trittin

Als ich mich vor einiger Zeit mit einem geschätzten Kollegen und CDU-Fraktionsmitglied über die kommunikativen Fähigkeiten der Abgeordneten, in Bezug auf Social Media unterhielt, ahnte ich nicht, dass es wirklich so schlimm aussieht. Social Media wird nur als Mittel zum Zweck benutzt, ohne die wirklichen Potentiale auszuschöpfen. Einzig und allein bei Gregor Gysi habe ich den Eindruck, dass er auf Facebook auch einigermaßen persönlich involviert ist. Alle anderen scheinen wenig Ahnung von dem zu haben, was sie da tun. Und das gut 5 Jahre nachdem Obama gezeigt hat, wie es geht. Ein Trauerspiel!

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