Die sozialen Medien mausern sich immer stärker auch als Informations- und Diskussionkanal für die Politik. Die Bundesregierung, Minister, Bürgermeister, ganze Fraktionen und Städte versuchen sich zunehmend als Freund, Fan oder Follower. Denn eines haben die Volksvertreter in den vergangenen Jahren gelernt: Wer mit seinen Wählern ins Gespräch kommen und wahrgenommen werden will, muss dort sein, wo sie sich aufhalten. Und das sind nun einmal Facebook, Twitter, SnapChat, WhatsApp oder Instagram – über mittlerweile alle Altersgruppen hinweg. Vor allem im Bürgermeisterwahlkampf 2015 versuchten sich viele Kandidaten als volksnah im Social Web.
Doch nur weil der Bedarf und das Potential erkannt wurde, bedeutet es nicht, dass es alle gleich perfekt machen. Doch heute geht es mit um ein in meinen Augen sehr schönes Beispiel, wie man Social Media Kommunikation, Politik und eine gehörige Portion Offenheit und Authentizität miteinander verbinden kann.Vor vielen Jahren haben der jetzige Oberbürgermeister von Freiberg, Sven Krüger, und ich noch den gleich Arbeitgeber gehabt: Die Sparkasse Flöha, später dann fusioniert zur Sparkasse Freiberg, jetzt Sparkasse Mittelsachsen. Als Azubi im zweiten Lehrjahr war er in der GST Augustusburg sogar mein direkter Vorgesetzter. Später wurde er dann nach verschiedenen Leitungsfunktionen in der Sparkasse als Bürgermeister für Verwaltung und Finanzen gewählt und bekleidet seit 2015 das Amt des OB in Freiberg. Dank sozialer Medien wie XING und Facebook habe ich seine Kommunikation immer mit verfolgen können und ihn so nie ganz aus den Augen verloren.
Nun ist es natürlich nicht ganz ohne, sich in solch einer Position der ungefilterten Kritik der Bevölkerung auszusetzen, vor allem in Zeiten wie diesen, vor Themen wie die Flüchtlingspolitik oder der Brexit die Massen aufheizen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass vor allem Politiker ein richtig dickes Fell haben müssen und der Segen der Social Media oft auch zu einem Fluch wurde.
Ich habe nun OB Sven Krüger ein paar Fragen gestellt, weil mich interessiert, wie sich das Amt und die Betreuung des Facebook-Profils miteinander vereinbaren lassen und welche Chancen er dahinter sieht.
Welche Strategie oder Idee steckt hinter Ihrer Kommunikation auf Facebook?
Ursprünglich ist diese Idee im OB-Wahlkampf 2015 entstanden, um Social Media für das Erreichen neuer Wählergruppen zu nutzen. Meine erste Skepsis wich schnell der Erfahrung, dass die Resonanz in Freiberg sehr positiv war. Neben Veranstaltungseinladungen habe ich dies umfangreich für die Kommunikation genutzt, und natürlich auch Fragen beantwortet und Anregungen entgegengenommen. Auch nach der Wahl war weiterhin großes Interesse da, so dass ich vielfach weiter gepostet habe. Neben der oft genutzten Kommunikation mit Bürgern unserer Stadt eignet sich Facebook sehr gut für kurzfristige Reaktionen auf aktuelle Ereignisse und auch als Informationsmedium für mich selbst.
Wie lässt sich der Kommunikationsaufwand mit Ihren sicherlich umfangreichen Aufgaben als OB vereinbaren? Haben Sie sich regelmäßige Zeiten für das Verfassen von Beiträgen gesetzt oder gibt es noch Unterstützung beim Schreiben und Community Management?
Aus rechtlichen Gründen pflege und verwalte ich meine beiden Seiten komplett selbst und kann daher aus Zeitgründen nicht immer aktuell etwas posten. Aber ich versuche, zumindest die wichtigen Termine online zu stellen, dabei unterstützen mich einige Personen im Hintergrund mit Bildern von den Ereignissen.
In solch exponierter Stellung als OB hat man natürlich nicht nur Fans, sondern auch viele Kritiker, Gerade bei der Flüchtlingspolitik haben Sie ja mehrmals Stellung bezogen und auch nicht mit Kritik an den Verantwortlichen gespart. Wie gehen Sie selbst mit Kritik um?
Mit Kritik muss man umgehen, oft schreibe ich den Kritikern eine Nachricht und biete persönliche Gespräche an. Da merkt man schnell, ob es um Lösungen oder nur die Kritik geht. Manche Kritik kommentiere ich. In seltenen Fällen, insbesondere wenn es unsachlich oder beleidigend ist, lösche ich auch Einträge.
Sie nutzen Facebook als Privatperson über ein privates Profil, schreiben aber in Ihrer Funktion als OB. Wie trennen Sie berufliches von privatem oder gibt es da für Sie keine wirkliche Grenze?
Ich nutze zwei Profile: Zunächst eins als Politiker, wo ausschließlich dienstliche Anlässe gepostet werden. Zudem nutze ich die „private“ Seite zum Teilen oder Posten sowie für einige wenige private Einblicke. Man ist als Oberbürgermeister in manchen Bereichen nicht privat, sondern repräsentiert eine Stadt. Das berücksichtige ich bei meinen Einträgen.
Aktuell haben Sie 1.022 Freunde auf Ihrem Profil. Gesetzt den Fall, jeder der über 40.000 Einwohner Freibergs möchte mit Ihnen auf Facebook befreundet sein – würden Sie all die Freundschaftsanfragen annehmen?
Ja, denn es wäre begeisternd, wenn es so ein Interesse an der Stadtpolitik geben würde. Vielleicht reden wir ja da nochmal in einem Jahr darüber.
Wieso hat Freiberg eigentlich keine offizielle Facebook-Seite, wo doch ihr OB so beispielhaft vorangeht?
Wir betreiben verschiedene Seiten, so z.B. „Silberstadt Freiberg“ für Veranstaltungen und Kultur oder „Bergstadtfest“ für unser traditionelles Event. Über eine offizielle Seiten denken wir noch nach, denn diese muss sich auch klar von den derzeitigen Seiten unterscheiden, um ihren Platz zu finden. Da feilen wir noch an einer zündenden Idee.
Letzte Frage: Ich habe mein Smartphone immer dabei und checke regelmäßig meine Kanäle. Kann ich mir das bei Ihnen auch so vorstellen? Meine Anfrage als Direktnachricht bei Facebook für dieses Interview haben Sie innerhalb von wenigen Minuten beantwortet – das ist eine superschnelle Reaktionszeit, die manche professionelle Social Media Teams nicht leisten können.
Das war einfach der Situation geschuldet, dass ich gerade online war. Schön, dass ich damit den Test positiv bestanden habe, leider ist das aber nicht immer so. Man hat ja auch dienstliche Verpflichtungen, die über Facebook hinausgehen … In der Regel antworte ich jedoch innerhalb von 24 Stunden, denn nur dann wird es auch als Plattform akzeptiert.
Da kann ich nur sagen: Chapeau und vielen Dank für die Zeit zur Beantwortung meiner Fragen. Schauen wie mal, wie sich das Netzwerk in den nächsten 12 Monaten entwickelt. Die Zielgröße ist jedenfalls gesetzt.
Nun könnten einige sagen, was ist denn mit Dirk Hilbert, dem OB Dresdens? Denn er hat ja auch ein Facebook-Profil und postet sehr regelmäßig. Vielleicht stelle ich ihm ja auch noch einmal ein paar Fragen :-)
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