Social Servicewüste Deutschland? Oder doch nicht?

Um eins vorweg zu nehmen, viele könnten, wollen aber nicht. Einige wollen, können aber nicht. Und die wenigsten wollen und können auch. So kann man glaube ich ganz gut auf den Punkt bringen, wie es um die Servicequalitäten der Unternehmen in Social Media bestellt ist: zumeist mehr als mies! Aber es gibt einige Ausnahmen und die heißen nicht Deutsche Bahn oder Deutsche Telekom, sondern Kabel Deutschland und Bosch.

Kabel Deutschland „Die Kabelhelden“

Auf die Idee für diesen Beitrag bin ich gekommen, weil am 15. Mai die Community von Kabel Deutschland „die Kabelhelden zur Community des Jahres im Rahmen des deutschen Preises für Onlinekommunikation ausgezeichnet wurde. Wer sich mit Kabel Deutschland ein klein wenig beschäftigt oder vielleicht gar Kunde von ihnen ist, der weiß, dass sie einiges in Sachen Kundenservice und Servicequalität wett zumachen haben.

Sich da mit einer eigenen Community der Kritik der breiten Masse zu stellen, ist schon respektabel. Es wird ihnen nicht immer gedankt und die Nutzer lassen kaum eine Gelegenheit aus, ihrem Unmut freien Lauf zu lassen. Aber, so schreibt Christian Henne auf seinem Blog, mittlerweile konnte man die Unzufriedenheitsrate (sehr geiler Begriff, liest man doch sonst immer nur von Kundenzufriedenheit), von sagenhaften 95% auf 45% senken – zumindest was die Tonalität in der Community anbelangt. Zudem, und auch hier gibt Christian Henne einen kleinen Einblick in die strategische Denkweise hinter so einer Community, soll die Arbeit der 6 Redakteure einen positiven Effekt unter anderem auf die Auslastung des Service-Centers haben. Die Facebook Page von Kabel Deutschland hingegen verschwindet im Einheitsbrei der Markenseiten auf Facebook, hat sie wie viele andere auch nur Palaber und Gewäsch zu bieten, beides aber in Perfektion. Die Community jedoch zeigt, wie man mit einer guten strategischen Vorarbeit und einem motivierten Team einem schlechten Image zum Trotz die Kritik als Chance nutzen kann. Chapeau kann ich da nur sagen.

Bosch „1-2-do.com“

Hand- und Heimwerker sind ein eingeschworenes und trotzdem sehr offenes Völkchen. Wenn man ihnen auf die richtige Art und Weise begegnet, sind sie meist sehr dankbar und engagiert. Das sieht man, wenn man sich die Heimwerker-Community von Bosch „Grün“ namens 1-2-do.com einmal anschaut. Sie existiert schon ein Weilchen länger als die Kabel Deutschland Community und auch ich hab dort schon manche Frage in die Runde gestellt, wenn ich bei einem kleinen handwerklichen Problem nicht mehr weiter wusste. Neben dem regen Austausch der Nutzer untereinander steuert Bosch in regelmäßigen Abständen Produkttests ein, für die sich dann alle bewerben können. Einzige Bedingung ist eine ausführliche Testbeschreibung und damit schlägt Bosch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.

  1. Durch die Testberichte bekommen sie unverfälschte und authentische Meinungen, die zudem noch hochgradig suchmaschinenwirksam sind
  2. Die Produktmanager, die ebenfalls in der Community registriert sind, erhalten so detaillierte Hinweise vom Fachpublikum über Schwächen und Verbesserungsmöglichkeiten
  3. Besonders engagierte und langjährige Nutzer gleichen unbezahlbaren Brand Advocates, was Bosch und seine Produkte anbelangt

Während Bosch mit einer Anzahl an Moderatoren und Co-Moderatoren arbeitet, von denen einige auch direkt aus der Community heraus „rekrutiert“ worden, besteht das Team von dieKabelhelden aus Call Center Agents, die nun eben ihren Job im Social Web ausüben.

Was beiden Communities gemein ist, ist eine sehr schnelle Reaktionsgeschwindigkeit. Fragen und Kritiken der Nutzer werden fast immer innerhalb von wenigen Stunden aufgenommen und beantwortet, wobei mir noch nie die Standard-Antwort „Ich leite das weiter“ oder „bitte eine Mail an info@ schicken“ aufgefallen ist.

Gerade letzteres stellt man bei den Markenseiten auf Facebook immer wieder fest. Das Paradebeispiel dafür ist immer noch PayPal Deutschland. Dort bekommt man auf fast jede Frage die gleiche Standard-Antwort:

Hallo xxx,
bitte sende uns eine Email an webhilfe@paypal.com mit deiner bei PayPal registrieren Emailadresse. Wir sehen uns das gerne für dich an.
Viele Grüße!

Ganz selten passiert danach noch etwas, dabei ist doch genau die Reaktion des (hoffentlich) zufriedengestellten Kunden das, was Social Service so erstrebenswert macht. Im Gegensatz zum 1:1 Kontakt per Telefon oder Email habe ich hier als Unternehmen die Chance, zu zeigen, dass ich Kundenservice nicht nur auf dem Eingangsschild stehen habe, sondern auch wirklich was davon verstehe. Guter Service in der Broadcast-Kommunikation ist doch Gold wert, wenn er denn auch richtig funktioniert. Denn so sehen alle, was der Kunde für das Unternehmen wert ist, was er ihm bedeutet.

Das fängt mit der Qualität der Antworten an und hört bei der Quantität und beim Tempo auf. In einer kurzen Diskussion heute auf Facebook zur Reaktionsgeschwindigkeit auf Twitter war 8h das erstrebenswerte Optimum von Allround-Accounts. In Anbetracht der technischen Möglichkeiten (Monitoring, Ticket-Systeme, Social CRM) sollten 8h auf Twitter für ausgewiesene Service-Kanäle jedoch die absolute Ausnahme sein, hier muss die Ziel-Reaktionszeit irgendwo bei 1-2-h liegen. Natürlich immer in Abhängigkeit von den „Öffnungszeiten“, die auch im Social Web beachtet werden müssen, auch von den Nutzern.

Das bloße Aufzeigen von Kommunikationsbereitschaft ist jedoch das, was vielen Accounts absolut fehlt. Ich kann mir zwei Gründe vorstellen, warum es an dieser simplen Bereitschaft, mit seinen Nutzern, Fans und Followern ein Gespräch aufzunehmen, immer noch hapert:

  1. Die Accounts werden extern durch Agenturen und Dienstleister betrieben und Abstimmungs- und Feedbackschleifen verlängern die Reaktionszeit ins Unermessliche
  2. Die Accounts werden mit der klaren Prämisse betrieben: Wenn wir niemanden sehen, sehen die uns auch nicht – also Kopf runter und Schnabel halten

Und warum nun eigentlich nicht die hochgelobte Deutsche Bahn, die auf Twitter und Facebook recht anständig agiert? Ganz einfach: wer 30.000 Bahncard-100 Kunden keine eigene Plattform für den direkten Kontakt zum Konzern ermöglicht und somit zeigt, dass er genau dieses elitäre Klientel zu schätzen weiß, der hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Da gehe ich voll und ganz mit Boris Janek mit, der sich zu Recht über diesen Missstand auf seinem Blog beschwert.

Social Service in Deutschland ist eben immer noch Wüste mit ganz wenigen Oasen. Kennt jemand noch so eine Oase?

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