Warum die Frage nach der Gehaltsvorstellungen bei Bewerbungen eine Farce ist

Ich weiß nicht, warum, aber mich hat gestern die Frage beschäftigt, warum denn eigentlich Arbeitgeber in Bewerbungen und bei Stellenanzeigen immer nach den Gehaltsvorstellungen fragen? Die Frage ist eine Farce und eigentlich eine Frechheit. Warum ich das so sehe, will ich einmal kurz darlegen.

Schauen wir uns doch einmal Unternehmen X-beliebig an. Für das Personalwesen gibt es einen Budget-Topf, der Ende des vergangenen Jahres festgelegt wurde. Er beinhaltet Gehälter, Provisionen und Marketing-Ausgaben für Personal (letzteres vielleicht auch etwas getrennt). In jedem Fall überlegt sich Unternehmen X-beliebig natürlich genau, wie hoch die Ausgaben für Löhne und Gehälter sind und wie viele neue Mitarbeiter es sich leisten kann.

Zudem ist Personalchef Hans Geiz natürlich darauf bedacht, dass Gehaltsniveau in seinem Unternehmen einigermaßen gleich zu halten. Es gibt feste Gehaltsstufen für die einzelnen Karrierepfade. Gleiches gilt für Vergütungen für Studenten, Praktikanten und Azubis.

Wenn sich also jemand im Unternehmen bewirbt, steht im Grunde genommen schon von vornherein fest, in welcher Gehalts-Range er sich bewegt. Ausreißer nach oben wird es kaum geben. Nach unten natürlich gern ;-)

Was bezweckt daher die Frage nach den Gehaltsvorstellungen?

Gehaltsvorstellungen

Wenn man der Realität einmal tief ins Auge blickt doch nur die Hoffnung auf einen Glückstreffer, dass sich jemand unter Wert verkauft. Wenn Bewerber Klaus Ahnungslos also auf die Frage mit einer unter Durchschnitt liegenden Zahl antwortet, reibt sich Personalchef Hans Geiz die Hände und freut sich darüber, einen billigen Mitarbeiter bekommen zu haben. Ist Meister Ahnungslos von sich sehr überzeugt und geht erst einmal hoch in den Gehaltspoker rein, hat er entweder schon verloren oder wird auf das für den Personalchef akzeptable Niveau gedrückt. So oder so – der vorgetragene Gehaltswunsch ist Makulatur, weil das Ergebnis von vornherein feststeht. Ist also wie beim Boxen :-D

Was sollte man also nun tun, wenn man eigentlich in diesem Spiel nur verlieren kann? Den Spieß umdrehen und fragen, was man denn für das Unternehmen wert ist. Oder was meint ihr?

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6 Kommentare

  1. Dankeschön für diesen prima Beitrag! Leider ist das eben für Bewerber sehr dünnes Eis. Verkauft man sich unter Wert, nur um den Job zu bekommen, ist nach einer gewissen Zeit die Unzufriedenheit vorprogrammiert. Wenn sich das Unternehmen die Hände reibt, dann kann ja von Fairness und Gerechtigkeit keine Rede mehr sein.
    Pokert man am Anfang zu hoch, muss man fürchten, schon im Vorfeld als Bewerber „ausgesiebt“ zu werden bzw. wird man zu einem Gespräch gar nicht erst eingeladen. Gibt ja noch eine Menge „billigerer“ Mitbewerber.

    Einen entscheidenden Punkt würde ich auch nicht aus den Augen lassen: Als Bewerber kennt man das Unternehmen im Vorfeld noch nicht wirklich, kennt nicht alle Benefits, Arbeitsabläufe, Flexibilität für Freizeit usw.. Erst bei einem persönlichen Vorstellungsgespräch „im Hause“ erfährt man Genaueres, kann eine Vorahnung vom Arbeitsumfeld bekommen, auch ein Gefühl, für wen man da künftig arbeitet. Das ist nicht unwichtig und kann dazu führen, dass man auch bereit ist, einen Job für weniger Gehalt anzutreten.
    Als Bewerber ist man gundsätzlich gesprächsbereit. Besonders dann, wenn man einen besseren Eindruck von seinem potenziellen künftigen Arbeitgeber hat. Leider sind es die Unternehmen und Entscheider weniger bzw. kommt es gar nicht so weit. Sie machen sich meist nicht die Mühe, in Gespräche über das Gehalt einzusteigen oder auch nachzufragen, ob man bereit ist, entgegenzukommen.

    Die Frage danach, was man denn dem Unternehmen „wert“ sei – eine schöne Idee … aber es besteht doch die Gefahr, dass die Unternehmensführung auch erst einmal tief stapelt, um den Mitarbeiter so günstig wie möglich zu bekommen, oder?

    • erst einmal vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Es ist schon zu sehen, dass sich Leser auch intensiv mit den Beiträgen auseinandersetzen.

      Natürlich habe ich in dem Post meine Gedanken für einen idealtypischen Zustand dargestellt. In der Praxis ist und wird das sicherlich auch noch lange so sein, dass Bewerber ihrer Gehaltsvorstellungen angeben sollen.

      Zum Thema Kenntnis über das Unternehmen seitens des Bewerbers: in den letzten Jahren hat bei vielen Firmen ein Umdenken stattgefunden und sie präsentieren sich nun viel offener und authentischer den potentiellen Kandidaten. Über Maßnahmen des Employer Branding werden Einblicke ins Unternehmen gewährt, Mitarbeiter kommen zu Wort und es wird die Geschichte des Unternehmen auf vielen verschiedenen Kanälen erzählt. Auch wenn der Bewerber noch nicht alle Insights des Unternehmens kennen kann, die Highlights sollte und muss er kennen. Ich gehe auch davon aus, dass man zumindest mal herumgehorcht hat, was man denn üblicherweise in der Position und in der Branche verdient. Komplette Unkenntnis seitens des Bewerbers ist also weniger dem Informationsangebot geschuldet, sondern der vorangegangenen Recherche. Und komplett ahnungslos sollte niemand in ein Bewerbungsgespräch gehen. Außerdem hat man für sich selbst sicherlich auch schon einmal ausgerechnet, was man denn „brauch“, um einigermaßen über die Runden zu kommen.

      Ein Poker wird die Frage nach dem Gehalt so oder so bleiben – es kommt halt darauf an, wer die erste Karte spielt und wie gut man pokern kann :-) aber ich halte es eben für besser und fairer, wenn derjenige den Poker eröffnet, der sein Limit am besten kennt und das ist nun mal das Unternehemn.

      • Schön, auch gleich Feedback auf einen Kommentar zu bekommen, vielen Dank!
        1.) Natürlich macht man sich schlau über Unternehmen, was es bietet, was einen erwartet – soweit es möglich ist.
        2.) Natürlich versucht man, seinen Marktwert realistisch einzuschätzen – auch im regionalen Kontext und hat seinen eigenen Bedarf ermittelt.

        Doch nach etlichen Monaten und einer hohen Zahl an Bewerbungen habe ich viel Erfahrung sammeln können. Bedauerlicherweise fällt mein Urteil gegenüber Arbeitgebern weitgehend nüchtern aus. Und das führt mich inzwischen zu sehr viel Vorsicht und auch zu Zweifeln.

        Zu 1: Wir bewegen uns hier ja in der Marketingbranche. Wer versteht es besser, als die Werbeunternehmen selbst, sich in ein rechtes Licht zu rücken? Nach außen kann man durchaus ein tolles Bild zeichnen, schöne Welt in der Außenwirkung, Übertreibung gehört zum Geschäft. Wie authentisch sind hier Statements von Mitarbeitern oder eine HR-Webseite mit vielversprechenden Slogans? Gräbt man ein wenig tiefer … kommt das ein oder andere Interessante zutage. Schlussendlich zeigt sich in der Bewerbungsphase selbst, wie ein Unternehmen mit seinen Bewerbern umgeht. Allein in der Kommunikation zeichnet sich schon ab, dass man oft nur als „Bittsteller“ betrachtet wird (in einem Großteil der Fälle), da hilft es auch nicht, wenn ein Unternehmen offener ist oder (gesteuerte) Einblicke erlaubt. Die berühmte „Wellenlänge“ auf der man idealerweise liegen sollte, lässt sich letztendlich auch nur in einem persönlichen Gespräch herausfinden. Wenn man sich also schon durch eine Angabe der Gehaltsvorstellung ins Abseits schießt, bekommt man dazu auch keine Gelegenheit. Da nun auch grundsätzlich die „eierlegende Wollmilchsau“ gesucht wird, und kaum ein Unternehmen sich die Zeit nimmt, genauer hinzusehen oder mehr als zwei oder drei Bewerbern eine Chance gibt, durch ihre Persönlichkeit zu überzeugen, fühlt man sich selten „auf Augenhöhe“ – so jedenfalls aus meinen Erfahrungen berichtet.

        Zu 2: Auch wenn man seinen Preis wert ist und keine überzogenen Vorstellungen hat, scheint breite Praxis-Erfahrung und solide Ausbildungen weit weniger Gewicht zu besitzen, als ein (frisch erworbenes) Bachelor-Zeugnis. Dazu kommt (so nehme ich an), dass Hochschul-Absolventen erst einmal recht niedrige Verdiensterwartungen haben. Der Lebensstil war während des Studiums schon durch Geldknappheit geprägt, so ist Angebot eines vollen Gehalts auf niedigem Niveau auch schon sehr verlockend. Und Unternehmen greifen zu – was natürlich auch ihr gutes Recht ist. Aber es frustriert schon.

        Um aber nun auf den Kern zurück zu kommen, ich stimme Dir vollkommen zu: Es ist in der Tat fairer, wenn ein Unternehmen beziffert, welche Vorstellungen und Ressourcen es für eine Stelle zur Verfügung hat. Letztlich wird es immer Spielraum geben, das letzte Wort werden die Kompetenzen und die Leistungen sprechen, die am Ende rauskommen. Doch ob diese Einstellung jemals bei Firmen und Entscheidern ankommen wird – so schön diese Vorstellung ist – wage ich zu bezweifeln ;-)

        • ich kann Dir bei den beiden Punkten leider nicht widersprechen. Ich sehe es genauso! Ich kann nur hoffen, dass solche Blogposts – die es ja auch in ähnlicher Form auf anderen Blogs gibt – irgendwann ein Umdenken herbeiführen. Steter Tropfen höhlt den Stein :)

  2. Hallo Jan,
    vielen Dank für den Beitrag. Ich verstehe Deinen Ansatz, bin aber (leider) nicht ganz bei Dir. Denn gerade bei Jobs, in denen Bewerber mit mehrjähriger Berufserfahrung gesucht werden, sind die Gehälter in einem breiteren Rahmen festgesetzt. Ein Teamleiter Softwareentwicklung kann z. B. meiner Erfahrung nach zwischen 73T und 84T Euro liegen. Da gibt es also Verhandlungsspielraum.
    Als Bewerber muss ich für mich festlegen, was ich gerne verdienen möchte und was meine absolute Schmerzgrenze ist. Das Unternehmen hat für sich eine Schmerzgrenze, was es maximal zahlen will.

    Wenn jetzt ein Bewerber bisher 70T Euro verdient hat und für ihn 75T Euro ein super Gehalt sind … warum sollte das Unternehmen vorher sagen, dass es auch 80T zahlen würde? Umgekehrt: Möchte ein Bewerber 80T haben, kann sich das Unternehmen überlegen, ob es bereit ist, das Gehalt zu zahlen. Weil der Bewerber z. B. eine besondere Expertise mitbringt, die das höhere Gehalt rechtfertigt.
    Es stimmt schon: In vielen Fällen wollen die Unternehmen nicht handeln. Aber wie gesagt, je „wichtiger“ der Job für das Unternehmen, um so mehr Verhandlungsbereitschaft ist da. Von daher macht die Frage nach dem Gehalt durchaus Sinn.

    Herzlichen Gruß,
    Henrik

    • Vielen Dank für Deinen Kommentar, Henrik. Deine Argumentation ist natürlich nicht von der Hand zu weisen und ich gehe in dem Punkt mit, wenn wir es mit Bewerbern zu tun haben, die bereits Markterfahrung haben und wissen, was sie in der Branche „wert“ sind.

      In den Fällen von Berufseinsteigern, Studenten oder auch Quereinsteigern glaube ich, dass es durchaus angemessen und fair ist, wenn das Unternehmen – welches in dem Fall den Markt wesentlich besser kennt – ein erstes Angebot macht, um schon einmal eine Richtung vorzugeben.

      Kein Unternehmen wird sich gern in die Karten schauen lassen und natürlich immer versuchen, soviel wie nötig auszugeben. Aber der Moment, den es mit einem 80T Angebot einem Bewerber beschert, welcher mit 75T kalkuliert, ist sicherlich unbezahlbar und vielleicht auch ein Pluspunkt im Bereich Candidate Experience.

      Beste Grüße
      Jan

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