Arbeitsplatz der Zukunft – one-way street to burnout oder schöne neue Welt?

Ich habe mich ja zuletzt auch schon einmal über den Digital Workplace oder auch Future Workplace, um mal etwas Buzzwording zu betreiben, geäußert. Wie er für mich aussieht und wie ich ihn mir vorstelle. Microsoft scheint da schon recht konkrete Ideen in der Tasche zu haben, die für meine Begriffe schon ganz schön weit gehen.

Es geht bei Microsoft nicht mehr um Work-Life-Balance, also eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Privatleben, sondern um die Verschmelzung von Arbeit und privatem. 

„Es sollte keine Work-Life-Balance geben,
sondern ein Work-Life-Blending.“

 

Das bedeutet, dass man als Mitarbeiter zukünftig die freie Wahl hat:

  • Arbeite ich von zu Hause
  • Gehe ich ins Büro
  • Arbeite ich von unterwegs

Dabei müssen mir natürlich alle technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um jederzeit kommunizieren, kollaborieren und interagieren zu können. Alles läuft über Smartphones, Tablets, Cloud und Hybride Systeme.

Gut und schön. Nur was ist dann tatsächlich mit Freizeit, Familie und dem Privatleben. Viele Mitarbeiter nehmen jetzt schon Arbeit mit nach Hause, nutzen ihre privaten Smartphones für Dienstliches (#BringYourOwnDevice), machen Überstunden oder liegen nachts wach, weil sie Probleme im Kopf wälzen, die tagsüber liegen geblieben sind. Wenn man nicht mehr dazu kommt, abzuspannen und runter zufahren, ist ganz schnell der Ofen aus und man landet beim Psychiater.

„Wir wollen diese familienartige Kultur
entwickeln und aufrechterhalten.“

 

Natürlich gibt es Mitarbeiter, die ihre Familie gern mit zu Firmenfeiern mitbringen oder die Kinder auch mal mit ins Büro. Aber es gibt auch jene, die eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privat leben und diese Linie auch nicht überschreiten wollen. Wie können diese sich dann in dieser neuen Arbeitswelt zurecht finden?

Dass zur Arbeit auch Freizeit gehört und das Arbeit bedeutet, dass man auch mal nicht arbeitet, ist leicht gesagt. Ich weiß selbst, wie schnell man sich abends nochmal an den Rechner setzt, um nur mal eben noch eine Mail zu schreiben oder man am Sonntag Abend die Wochenplanung erledigt, um dann für die Montags-Meetings gerüstet zu sein. Das ist jetzt schon so und wenn man nicht aufpasst, wird sich das bei dieser intensiven Verschmelzung von beiden Welten zukünftig noch verstärken.

Insofern ist es enorm wichtig, dass nicht nur die Technologie für den Future Workplace eingeführt wird und die Büros umgestaltet werden, sondern dass vor allem die Unternehmenskultur darauf angepasst wird. Die Chefs müssen es vorleben und auf eine strikte Einhaltung von Regeln achten.

Ich habe mich gestern mit einer Verantwortlichen für Arbeitsschutz einer Behörde unterhalten, für die das Thema Arbeitsplatz der Zukunft noch recht neu war. Als erstes kamen dann auch sofort Bedenken:

  • Wenn ich nur noch digital kommuniziere, bewege ich mich im Büro dann überhaupt noch?
  • Was sind die medizinischen Auswirkungen auf das ständige Bildschirmstarren auf die Augen und den Rücken?

Darauf wusste ich auch noch keine Antwort.

Eine gute Selbstorganisation und Selbstdisziplin sind hier meines Erachtens neben der Führungs- und Unternehmenskultur die Schlüssel. Ich muss mich und meinen Rhythmus an die neuen Möglichkeiten anpassen und darauf achten, dass ich mir Grenzen setze, die ich auch einhalte. Pausenzeiten, Feierabend, Mailcheck-Zeiten, Zeiten für Meetings und Videochats usw. gehören dann zum Arbeitsalltag dazu und müssen eingehalten und von anderen auch respektiert werden. Jederzeit erreichbar zu sein bedeutet nicht, dass ich jederzeit erreicht werden möchte.

Rückzugspunkte für ungestörtes Arbeiten müssen ebenso vorhanden sein wie Treffpunkte zum Austausch untereinander. Ob dafür dann die Schreibtische abgeschafft werden wollen, wie von Elke Frank (Senior Director Human Resources bei Microsoft) und Thorsten Hübschen (verantwortlich für das Office-Geschäft des Konzerns in Deutschland) prognostiziert, kann ich mir ehrlich gesagt nur schwer vorstellen. Vielleicht bin ich aber auch schon zu sehr an meinen Schreibtisch gewöhnt und vielleicht ist die schöne neue Welt ja doch tatsächlich richtig schön.

Quelle für die Zitate: wired.com „Zukunft der Arbeit / Warum zwei Microsoft-Manager eure Schreibtische abschaffen wollen“

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4 Kommentare

  1. Hallo Jan,

    danke für Deine Gedanken zu dem… Themenkomplex Digital Workplace, New Work, Future of Work, Work-Life-Balance #tobecontinued

    Ich persönlich für mich verfechte meinen Anspruch auf „blended living“ (um das Blending aufzugreifen). Ich habe mich in den letzten Jahren mit diesem Themenkomplex beschäftigt. Ursprünglich kam ich aus der Richtung Enterprise 2.0, Social Collaboration einerseits (was viele technische Möglichkeiten fürs Arbeiten ermöglicht) und Productivity/Self-Improvement/Getting Things Done andererseits. Und ich kam irgendwann darauf, dass ein neues Arbeiten mit den „wunderbaren Möglichkeiten“ eine sehr große Verantwortung sowohl vom Arbeitenden als auch seinem Arbeitsumfeld erfordert. Zum Arbeitsumfeld gehören nicht nur die Kollegen oder Geschäftspartner sondern auch das Unternehmen, für das man arbeitet. Für mich bietet alles nicht nur viele Möglichkeiten sondern auch die Verpflichtung, bewusst und sorgsam damit umzugehen. Und für den Arbeitgeber sehe ich das genauso. Zu einer Balance gehört für mich auch, dass der Mitarbeiter/Selbstständige sich nicht auspowert und seine Familie mit ausgepowert wird.

    Ich habe lange gebraucht, mich in den Komplex einzufinden. „Normale Mitarbeiter“, die stationäres 9to5-Arbeiten gewohnt sind (ach, so einer war ich ja mal), brauchen eine Lernkurve, die bei manchen ziemlich steil sein dürfte.

    Und die Unternehmen müssen einerseits eine positives Arbeitsumfeld schaffen (Konzentriertes Arbeiten, Rückzugsmöglichkeiten, Gemeinschaftlich remote und vor Ort arbeiten) sowie auf unterschiedliche Typen von Arbeitern (lieber im Büro oder mobil oder zuhause…) und andererseits einer Fürsorgepflicht nachkommen, was in einer Wirtschaft mit Quartalsdenken und Kennziffernabhängigkeit ziemlich schwierig sein kann.

    Das Ganze kann nur mit schrittweisem Annähern funktionieren, aber da sehe ich das Problem insbesonder in der „typisch deutschen Mentalität“ gleich wieder eine große Big-Bang-Lösung mit Verordnungen zu definieren.

    • Hallo Frank, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich glaube, dass es Mitarbeitern mit einem Hintergrund als Freelancer, Selbständiger oder CoWorker leichter fallen wird, diese neuen Arbeitsweisen zu verinnerlichen, sofern es sie denn wieder in ein Angestelltenverhältnis zieht :-)

      Viele Grüße
      Jan

  2. Hallo Jan
    Du sprichst einen wichtigen Aspekt an. Die Trennung von Arbeitszeit und Privatzeit existiert nicht mehr da die räumliche Trennung von Büro hier und Zuhause da aufweicht. Dieses Aufweichen oder gar Verschmelzen bringt mehr Flexibilität aber kann auch zu einer 24/7 Verfügbarkeit führen. Der Arbeitnehmer muss hier lernen, sich selbst zu managen und das heisst auch klar Nein-Sagen bei Tendenz zur Überlastung. Das Management kann dazu beitragen indem es im Unternehmen Projekte und Initiativen wesentlich besser priorisiert. Entscheiden, was nicht gemacht wird ist noch wichtiger als ständig mit neuen Ideen die Organisation komplett zu überfrachten. Leider herrscht in vielen Unternehmen immer noch eine Kultur des „Noch mehr Machens“ so dass sich Projekte innerhalb des Unternehmens bezgl. Budget, Mitarbeiter, Zeit usw. konkurrenzieren. Dieser interne Wettbewerb ist es, der Unternehmen langfristig zerstört. Die Deutsche Bank zeigt aktuell gerade wohin das im Extrem führen kann. Ein schöner Satz von Peter Drucker fasst das alles zusammen: culture eats strategy for breakfast.

    • Hallo Jörg, ja da gebe ich Dir absolut Recht. Der Mitarbeiter muss zukümftig sehr viel mehr Konsequenz an den Tag legen, als vielleicht bisher, ohne dass es ihm angekreidet werden darf. NEIN-Sagen kann verdammt schwer sein.
      Dafür bedarf es einer sehr guten Führung.

      Der Satz passt sehr gut :-)

      Viele Grüße Jan

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